Serie: ESCS Alert /

Aufgewacht


Nagende Kälte war das Erste, was sie fühlte. Eine tiefe, aus ihren Zellen kommende Starre, die sie aus traumloser Leere riss. Ihre Augenlider, schwer wie nasse Mäntel, schälten sich auf und gaben langsam den Blick auf ein medizinisches Labor frei, das in aufblitzendes Rot und tiefe Schatten getaucht war.

Sie rieb sich die Augen und kletterte unbeholfen aus ihrem Kryo-Pod. Der Fußboden war leicht rutschig, und Kälte drang durch ihre Fußsohlen. Sie war nur mit einem dünnen, synthetischen Kryo-Anzug bekleidet. Die Luft war abgestanden und roch nach Ozon und noch etwas anderem. Es roch metallisch und vage süßlich, wie verdorbenes Fleisch mit Desinfektionsmittel gemischt. Wie ein Lazarett nach einer Schlacht vielleicht.

Sie war anscheinend in einer der Kryo-Buchten auf Deck 7, wo die Mannschaft der ESCS Alert ihren Kälteschlaft hielt, wenn die Reise lang war. Reihen von glatten, hellen Kapseln säumten die Wände, aber die meisten ihrer Anzeigen waren dunkel. Ihre eigene Kapsel war hinter ihr, geöffnet und immer noch leise zischend.

Eine der Kapseln weiter hinten im Raum war von innen zersplittert worden. Kryo-Gel war in einem gefrorenen, teilweise noch kristallinen Durcheinander auf dem Boden verteilt. Die Kapsel genau daneben war noch versiegelt, aber das Sichtfenster war von einem dicken, dunklen Schmierfleck verdunkelt.

Ein tiefes Summen vibrierte durch den Boden. Sie fragte sich, was das war. Die normalen Geräusche des Hauptantriebs fehlten. Aber dafür gab es ein rhythmisches Geräusch, als würde etwas schweres, fleischiges gegen Metall schlagen. Dieses Geräusch kam aus Richtung der einzigen Tür des Raumes, aber von dahinter, so schien es.

Sie war allein. Jedenfalls fühlte es sich so an. Und das war merkwürdig. Denn normalerweise wird das Aufwachen aus dem Kälteschlaf überwacht und durch Medizinpersonal begleitet. Entweder Akim oder Julia sollten hier sein und sie medizinisch durchchecken. Drei Jahre bei der ESC-Marine hatten ihr schon einige seltsame Aufwach-Erlebnisse beschert, aber so unbekümmert über ihren Zustand nach dem Kälteschlaf hatte sich das Schiff noch nie gezeigt.

Normalerweise würde sie jemand fragen, ob sie ihren Namen weiß. Golshifteh Ashraf, wäre ihre Antwort. Welchen Rang sie habe? Gruppenführer, 2. Gruppe, 2. Zug, 2. Kompanie. Dreimal Zwei. Die Glückspilze hatte man ihre Gruppe gennant. Aber dabei hatten immer alle in ihre Richtung geschaut und gelacht. Aber heute fragte niemand was, und lachen tat auch keiner.

“Fantastischer Service”, murmelte sie mit rauer Stimme. “Fünf Sterne, wie immer. Würde ich wieder buchen.”

“Akim? Julia?”, rief sie halblaut in den Raum. Keiner von beiden war irgendwo zu sehen. Keiner wollte ihren Gesundheitszustand checken. Keiner wollte ihr mit dieser dämlichen Lampe in die Augen leuchten. Zumindest diese Kryobucht war wie ausgestorben.

Sie beschloss, sich alle anderen Kryokapseln anzusehen. Sie wollte wissen, ob noch andere belegt waren. Vorsichtig trat sie zwischen die Reihen der stillen, großen Geräte. Das Metall war kalt. Sie waren alle leer, ihre Statusbildschirme dunkel und leblos. Sie presste ihr Gesicht gegen einige der Sichtfenster, aber sie waren entweder mit einer dicken Schicht inneren Frosts bedeckt oder einfach schwarz.

Sie bemerkte, dass ein Tropfen auf ihre Hand fiel, von der Decke. Der Fleck war rötlich auf ihrem Kryo-Anzug. Sie schaute nach oben, aber es war zu dunkel, um viel zu erkennen. Ein weiterer Tropfen fiel ihr auf die Stirn. Als sie ihn weg wischte, hatte sie einen rosa Streifen auf ihren Fingern. Die Flüssigkeit fühlte sich zwischen ihren Fingern klebrig an.

“Anscheinend habt ihr vor kurzem renoviert, oder was?”, sagte sie laut.

Genau in diesem Moment kam aus dem hinteren Teil des Raums ein leises Geräusch, als ob sich etwas langsam bewegte. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit dorthin, auf die beiden beschädigten Kapseln im hinteren Teil des Raums. Die hinteren Kälteschlafgeräte unterschieden sich von den anderen. Sie waren grün statt weiß und deutlich größer und schwerer. Auch ihre Zuleitungen waren robuster.

Die völlig zerstörte Kapsel war ein Wrack aus verdrehtem Metall und scharfen, glasartigen Kryo-Gel-Fragmenten. Was auch immer daraus hervorgekommen war, war mit unglaublicher Kraft herausgekommen. Das Innere war völlig zerfetzt, mit langen Schnitten kreuz und quer, die sich durchs Material gefressen hatten.

Die zweite, die mit dem purpurroten Schmierfleck, war noch beunruhigender. Der dunkle Fleck war ein verschmierter Abdruck einer Hand, aber mehr war nicht zu sehen. Als sie sich umdrehen wollte, dachte sie, im Innern lange Finger zu sehen, die sich bewegten. Finger, die viel zu groß für einen Menschen waren, und irgendwie auch viel zu viel.

Sie sprang zurück und fluchte.

Dabei sah sie ein oranges Leuchten. Ein kleines Stück weiter war das Statuslicht einer weiteren grünen Kapsel nicht komplett erloschen. Es flackerte schwach und unregelmäßig in orange. Das Display daneben war ein Gewirr aus statischem Rauschen und fremdartig aussehenden Symbolen, aber sie konnte Worte in Standard erkennen:

WARNUNG: BIOMASSE INSTABIL.

“Instabil ist das Wort des Tages.”, sagte sie leise.

Die rhythmischen, dumpfen Laute von jenseits der Tür gingen unvermindert weiter.

Sie musterte die Wände der Kryo-Bucht. Ihr Atem bildete Nebel in der eiskalten Luft. Die Wände bestanden aus nahtlosen, zweckmäßigen Platten aus einem dunklen, nicht reflektierenden Metall, die hier und da anscheinend von tiefen Furchen durchzogen waren. Ein Dickicht aus Stromleitungen und Kühlmittelrohren verlief entlang der Decke, glänzend von Kondenswasser und Eis. Es gab keine Sichtfenster zum All. Denn Kryo-Labore steckten immer tief in den Eingeweiden eines Schiffs, und so auch auf der ESCS Alert. Irgendwer hatte ihnen die Gründe dafür mal erklärt, aber nach drei Dienstjahren und ihrem zweiten Kälteschlaf fiel es ihr nicht mehr ein.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den einzigen Ausgang des Raumes. Es war eine schwere, druckversiegelte Tür, deren Oberfläche mit verblassten Warnaufklebern bedeckt war. In der Mitte der Tür, auf Augenhöhe, befand sich ein kleines, rundes Fenster aus dickem, verstärktem Plas-Stahl. Als sie hindurchspähte, sah sie einen langen, schmalen Korridor, der sich in die Dunkelheit erstreckte. Ein Notlicht an der Decke des Korridors tauchte alles in ein hektisches, pulsierendes Purpurrot. Der Korridor selbst war leer, aber das rhythmische Geräusch war hier definitiv lauter und hallte von irgendwo weiter unten wider, gerade außerhalb ihres Sichtfeldes.

Sie stand vollkommen still und konzentrierte sich nur auf das Geräusch. Ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem Kratzen oder so. Und wieder, Aufprall, Kratzen. Das Intervall war präzise. Fast mechanisch. Eins … zwei … drei … Aufprall, Kratzen. Es war so gleichmäßig wie ein Metronom, das Geräusch unermüdlicher, methodischer Arbeit. Es klang nicht nach anderen Menschen. Es klang nach sehr viel Kraft, aber nicht nach einer Person.

Und dann hörte es auf. Die plötzliche, tiefe Stille war beunruhigender als das Geräusch selbst.

Sie tastete ihren dünnen Kryo-Anzug ab und fand keine Taschen, was Sinn ergab. Um den Hals hatte sie ihre Marke hängen und das war’s. Wer braucht schon eine Tasche am Anzug, wenn sie für sehr lange Zeit eingefroren war, dachte sie sich.

In ihrem Fall war die ESCS Alert auf einer zwei Jahre dauernden Reise, wie man ihnen gesagt hatte. Dies war ihr erster voller Einsatz nach Grundausbildung auf dem Mond, Fachausbildung auf Phobos, Einheitsübungen und -einsätzen im Kuipergürtel. Und dieser erste Einsatz hatte ein extrasolares Ziel, fiel ihr ein, nur wohin genau? Und wie viel von dieser Zeit war sie tiefgefroren gewesen? Sind wir am Ziel angekommen, oder ist unterwegs etwas passiert?

Genau für solche Fragen waren ja eigentlich Akim und Julia da. Kälteschlaf ist nicht gut fürs Gehirn, das wusste sie. Aber diese Effekte würden bald nachlassen, das wusste sie auch. Dann würde sie sich wieder erinnern, wohin sie unterwegs waren und mehr.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit nochmal dem Labor zu und durchsuchte jeden Schatten. Sie durchwühlte die Trümmer der zersplitterten Kryo-Kapsel und fand ein langes, gebogenes Stück ihrer Außenhülle, das zu einer bösartig scharfen, wenn auch ungleichmäßigen Klinge abgeschert war. Sie war klobig, aber es war etwas. Sie würde sich besser fühlen, wenn sie sowas wie eine Waffe haben würde. Also nahm sie das Ding in die Hand und schwang es durch die Luft.

“Wird schon gehen.”, sagte sie leise und schaute sich weiter um.

In der Nähe der Tür fand sie dann einen in die Wand eingelassenen medizinischen Notfallkasten. Die Verriegelung war mit Eis verklemmt, aber sie schlug sie mit dem schweren Ende ihrer Metallscherbe auf. Diese fühlte sich mittlerweile warm an in ihrer Hand.

Im Notfallkasten befand sich eine einzelne Tube Medi-Gel und ein persönlicher Leuchtstab. Sie drehte an dessen Basis, und das Ding erwachte summend zum Leben, warf ein gleichmäßiges, klares weißes Licht, das die Finsternis durchbrach. Sie plante, das Medi-Gel für später zu behalten, und steckte es sich unter den Gürtel. Sie fühlte sich soweit in Ordnung, obwohl sie gerade erst aufgewacht war. Normalerweise verabreichen die Kryo-Kapseln einem eine intravenöse Nährlösung, gespickt mit einer Reihe von Boostern, um das Aufwachen einzuleiten, kurz bevor sie Druck und Wärme anwenden, um das Blut wieder in Wallung zu bringen.

Sie hörte wieder ein Geräusch aus dem hinteren Teil des Raums. Aber da hatte sie nichts gefunden. Wo also kam das Geräusch her? Aus der hinteren Kapsel, deren Biomasse instabil war? Sie ging langsam in die Richtung, als der Lichtstrahl ihres Leuchtstabs auf die Decke zeigte. Dort sah sie, was nur gewaltige Mengen von Blutspritzern sein konnten. Und als sie den Lichtstrahl auf den Boden senkte, bemerkte sie blutige Schleifspuren in Richtung der Tür. Das Blut war trocken und dunkel.

Die Schatten im Raum kamen ihr auf einmal dunkler vor. Sie leuchtete panisch in alle Richtungen, bevor sie sich beruhigte. Was immer hier passiert ist, es schien eine Weile her zu sein.

Sie hatte Durst, was normal war nach einem Kälteschlaf. Akim oder Julia hätten sie normalerweise mit etwas zu trinken empfangen. Aber ihre gründliche Suche ergab keinen Wasserspender oder Nährstoffsynthesizer. Sie ließ das Licht an den Wänden entlanglaufen, aber sie fand nichts als versiegelte Wartungsklappen und Datenanschlüsse. Es gab Rohre und Leitungen, aber alle waren deutlich mit Gefahrensymbolen für Hochdruck-Kryo-Kühlmittel oder Bio-Abfall gekennzeichnet. Sie anzuzapfen wäre eine sehr schlechte Idee. Es gab keine Nahrung oder trinkbares Wasser in diesem Raum.

Ihre Kehle war schmerzhaft trocken, das Gefühl von verschlucktem Sandpapier, das vom Kryostase-Prozess übrig geblieben war. Obwohl sie überall Frost und Eis sah, zog sie es nicht in Betracht, es von den schmutzigen Oberflächen abzukratzen. Dieses Eis zu essen, schien ein todsicherer Weg zu sein, krank zu werden. Das verspritzte Kryo-Gel aus der zersplitterten Kapsel hatte einen chemischen, fast widerlich-süßen Geruch, der ihr den Magen umdreht. Es ist definitiv keine Nahrung und könnte auch Körperflüssigkeiten von welchem Spezimen auch immer enthalten, der daraus entkommen ist.

“Willkommen beim Earth Space Command.”, sagte sie leise, “Wo nie was klappt und alle frieren. Und Futter gibt’s immer zu wenig und zu spät.”

Sie ließ den Strahl ihres Leuchtstabs durch den Raum wandern, auf der Suche nach aktiven Anzeigen. Nahe der Tür flackerte ein größeres Terminal schwach. Sie hatte es vorher nicht gesehen, weil der Bildschirm von ihr weg zeigte. Sie ging leise rüber und beugte sich näher heran und las die verstümmelten Informationen, die in einer ständigen Schleife erschienen:

… ESCS ALERT - KRYO-BUCHT 3 …
ACHTUNG: LEBENSERHALTUNG: KRITISCH (18% LEISTUNG)
ACHTUNG: HAUPTANTRIEB OFFLINE
CRYO-STATUS: 0 / 85 IM KÄLTESCHLAF
STATUS CREW: NICHT VERFÜGBAR
FEHLER! FEHLER! FEHLER! -> QUARANTÄNEPROTOKOLLBRUCH: SPEZIMEN 7 und 9

Die letzte Nachricht wiederholte sich immer und immer wieder, bevor der Bildschirm für ein paar Sekunden schwarz wurde und der Zyklus von neuem begann.

“Na super”, flüsterte sie dem flackernden Bildschirm zu. “Alle wach, keiner da. Lebenserhaltung und Hauptantrieb im Eimer.”

“Und was um alles in der Welt haben wir denn in Quarantäne gehabt?”, fragte sie sich.

Vielleicht war sie die einzige Überlebende, wenn diese Anzeige stimmte. Und irgendetwas hatte irgendwo die Quarantäne durchbrochen, wahrscheinlich in den Bio-Laboren, oder wo?

Aber warum sollten sie auf der ESCS Alert ein Labor für irgendwelche Spezimen betreiben, wenn wir auf dem Hinflug einer Deep-Space-Route sind, fragte sie sich gerade, als aus dem hinteren Teil des Raums wieder ein Geräusch zu hören war.

Nur dieses Mal war es nicht mehr so leise und verhalten wie vorher. Es klang wie ein großes Tier. Wie ein Bär, genau genommen, der nach seinem Winterschlaf aufwacht und sehr hungrig ist. Auch leicht wütend, weil er sich statt in einer Winterhöhle in einer engen Kryokapsel wiederfindet. Als würde etwas dort hinten lernen, wie man sich bewegt. Das Geräusch wiederholte sich - erst ungeschickt, dann immer koordinierter.

Als würde es üben.


Dies ist eine mit KI-Hilfe geschriebene Kurzgeschichte, quasi der doch stark überarbeitete Text eines Textadventures, das ich mit Gemini gespielt habe. Ich denke, es wird Fortsetzungen geben.

 ESCS Alert