Suez to Singapore von Cecil Brown gelesen

Ich habe Suez to Singapore von Cecil Brown fertig. Gestolpert bin ich über dieses Buch in Taimechi Hara’s Japanese Destroyer Captain, der Browns Buch erwähnte. Das Buch erschien 1941 bei Random House New York und witzigerweise habe ich es gebraucht gebunden als Erstausgabe kaufen können.

Cecil Brown war Kriegsberichterstatter für CBS. Er war vor dem Krieg mehrere Jahre in Italien, wo er letzten Endes ausgewiesen wurde wegen negativer Einstellung den Italienern und ihrem Faschismus gegenüber. Weiter ging es, und da lief bereits der Krieg, über Jugo­slawien, wo er deutsche Truppen erlebte, nach Ägypten, wo Brown Kämpfe der Briten und Freien Franzosen (Free French) gegen Vichy-Franzosen sah. Bevor die britische Kampagne gegen deutsche Truppen um Rommel begann, zog Brown per Flugzeug weiter Richtung Singapore. Über diese gesamte Zeit hat Brown Tagebuch geführt, und weil seine Frontberichte so berühmt wurden, wurde daraus das vorliegende Buch gemacht.

Warum berühmt? Brown wurde im englischen Parlament besprochen, weil seine Berichte von der Front schonungslos offen von der Sorglosigkeit britischer Generäle und Statthalter berichteten.

Wir schreiben den Sommer 1941: die Nazis haben sich gegen Rußland gewendet, die Japaner verunsichern den pazifischen Raum damit, was sie tun werden. Frankreich ist besiegt, Großbritannien steht fast allein.

Wie in Suez/Ägypten versucht jedoch auch in Singapore die britische Zensur, Brown daran zu hindern, zuviel zu berichten. Er hat, so schreibt er, mit den Briten mehr Ärger als mit italienischen Faschisten - die aber Gegner waren, nicht Alliierte. Die Zensur möchte nicht, daß Brown zu negativ über die Lage in Singapur berichtet. Brown soll aber zugleich dafür sorgen, daß die USA endlich in den Krieg eintritt. Also soll er schreiben, daß Großbritannien Hilfe braucht, aber zugleich soll Großbritannien dabei stark aussehen. Kritik ist nicht erwünscht, weil sie die Komman­dierenden schlecht aussehen läßt. Man sagt Brown aber auch, solche in den Medien kolportierte Schwäche ziehe japanische Angriffe nach sich. Das ist natürlich Quatsch, denn Japan unterhält ein exzellentes Spionagenetzwerk und richtet sich bei der Auswahl der eigenen Angriffsziele nach dessen Informationen, nicht nach der internationalen Presse.

Brown wird jedenfalls die Kriegsberichterstatter-Lizenz entzogen, er wird isoliert und trifft überall beim britischen Militär auf befohlene Abneigung. Zugleich flüstern ihm viele untere Dienstgrade zu, er solle so weitermachen. Die Wahrheit müsse ans Licht, was sie später auch tat. Denn Singapur sollte trotz aller Beteuerungen der britischen Befehlshaber relativ unvorbereitet und damit chancenlos im Februar 1942 fallen, was somit Java und in Folge Australien zu den nächsten Zielen der Japaner machen sollte.

Am 7. Dezember 1941 sind aber erstmal alle überrascht von Japans Offensive in vielen Orten im Pazifik: Pearl Harbor, Malay, Rangoon usw. Am 8. Dezember geht Brown an Bord des britischen Schlachtschiffs Repulse, die mit der Prince of Wales japanische Truppen-Transporte vor Songkla aufspüren und vernichten sollte. Weil die Führung in Singapore ohnehin keinen japanischen Angriff erwartet hat, schickt man die Kampfgruppe aus den beiden Schlachtschiffen und vier Zer­störern ohne Luftsicherung aus. Am 10. Dezember morgen schicken die Japaner 80 Flugzeuge. Beide Schlachtschiffe sinken. Brown war dabei, aber das sind nur ca. 30 Seiten in diesem Buch.

Die Repulse war übrigens seit Kriegsbeginn 53.000 km unterwegs ohne Feindberührung: ihr erster Kontakt im 2. Weltkrieg führte zu ihrem Unter­gang. Dies ist eine der Lehren des 2. Weltkriegs: große Schiffe brauchen Luftunterstützung und sind selbst dann oft hilflos. Es wäre besser, statt eines Schlachtschiffs dreißig Zerstörer zu bauen (übrigens die selbe schmerzliche Erkenntnis für den eingangs erwähnten Taimechi Hara: der kommandierte fast den gesamten Krieg Zerstörer, bis er kurz vor Schluß als Kommandant eines Schweren Kreuzers völlig hoffnungslos versenkt wurde. Auch die Japaner haben auf riesige, propagandafreundliche Schlachtschiffe wie die Yamato gesetzt, deren Zeit ohne Luftunterstützung vorbei war).

Aber solche Lehren kann man nur ziehen, wenn man darüber reden darf. Die Briten unterdrückten Kritik jeder Art und lernten wenig: Japanische Truppen landen in Nord-Malay und sind nach 6 Wochen in Singapore, das dann schnell fällt. Dazwischen lagen mehr als 500km Dschungel, den die Japaner schnell durchquerten, wenn auch verlustreich. Die Briten waren schlecht vorbereitet. Sie dachten bis kurz vor Dezember 1941, die Japaner werden über Straßen vorrücken und Dschungel und Reisfelder meiden. Reisfelder seien daher Flankensicherung, weil unüberwindbar mit Panzern usw. Es kam alles anders und die Japaner rückten im Angriff schneller durch den Dschungel vor, als die Briten auf den Straßen ihre Truppen zurück führen konnten.

Brown zeigt, wie wertvoll Kritik ist. In USA (Trump) und Rußland (Putin) ist Kritik derzeit verboten, weil es ein Zeichen von Schwäche sein soll. Im Krieg muß man aber schnell lernen, insbesondere in einem totalen wie dem modernen Krieg.

Brown schreibt gut, voll Atmosphäre. Ein richtiges Tagebuch halt. Es gibt viele persönliche Anekdoten von ihm und anderen und extreme Berichte von der Front. Die Beschreibungen seiner wenn auch kurzen Zeit an Bord der Repulse und von ihrem Untergang sind natürlich sehr lesenswert. Brown beschreibt eine untergegangene Welt, denn der Krieg zerstörte auch die Kolonialreiche Europas, was lange überfällig war.

Das ist zugleich Stärke wie Schwäche: Brown bemerkt die Konflikte des britischen Empires, die seinen Untergang ankündigen. Die Briten sind überall die Herrscher, sie verlangen überall ihren Anteil oder ihre Geschäftsbeziehungen. Die unterdrückten Völker erwarten dafür Schutz, wie beim Schutzgeld der Mafia quasi. Nur kann Großbritannien diesen Schutz nicht bieten und zieht dann ab und rettet nur Europäer vor den Japanern. Die einheimische Bevölkerung und alle anderen Ausländer überlässt man ihrem Schicksal, was deren Glauben ans Empire beendet, ebenso wie ihre Bereitschaft, gegen die Japaner zu kämpfen. Was Cecil Brown aber übersieht und niemals feststellt, ist ja, daß es bei schwarzen oder Native Amerikanern, die für die USA kämpfen, ebenso ist: dass sie nun gleichberechtigt Seite an Seite mit weißen Amerikanern wie Cecil Brown kämpfen sollen, aber nicht gleichberechtigt sind.