Buchvorstellung: Four Futures von Peter Frase

Die Welt, in der wir leben, hat so ihre Probleme: Im Silicon Valley liegt das Durchschnittseinkommen (median) bei 91.000$1, aber 31 Prozent der Leute im Silicon Valley verdienen gerade mal 16$ pro Stunde (was ein Jahreseinkommen von nicht mal 32.000$ ergibt). Neben dem Hauptquartier von Adobe ist die größte Obdachlosensiedlung der USA zu finden, genannt The Jungle, so David Rotman im MIT Technology Review (Technology and Inequality). In Berlin sehe ich immer mehr Obdachlose. In unseren alten Räumen in der Backfabrik werden über 30€ pro m² aufgerufen. Die Firmen dort feiern ihre Weihnachtsfeiern im Hof in einem speziell für sie errichteten Weihnachtsmarkt. Nebenan werden Wohnungsquartiere mit abgeschlossenen Bereichen für mehr als 7.000 € pro m² gebaut, während draußen Rentner Flaschen sammeln.

Die Ungleichheit in unserer Gesellschaft nimmt zu, während sie in der Natur abnimmt. Dort wird alles gleichmäßiger: gleich warm, gleich voll Müll und immer weniger Arten.

Das Internet haben wir uns dezentral als Demokratie- und Wissenstool vorgeträumt, herausgekommen sind mehrere Werbe- und Shopping-Silos. Durch die Förderung von Narzissmus und dem Fakt, dass wir alles Wissen externalisieren, weswegen wir dann nicht mehr dran glauben, schwächen Internet und Smartphones die Demokratie und verblöden eine ganze Generation. Ich glaube ja, dass der durch Smartphones erzeugte Innenfokus, dem wir Menschen unterliegen, der wahre Fermi-Filter ist, der unsere Zivilisation bedeutungslos machen wird.

Das alles sind Folgen des Kapitalismus und es sind bei weitem noch nicht alle Folgen. Es ist also unser System, daß am Ende ist. Diese ganzen Verwerfungen zeigen: der Kapitalismus geht unter. Aber was kommt danach?

Dieser Frage geht Peter Frase in seinem Buch Four Futures: Life after Capitalism nach (erschienen 2016 bei Verso). Ich hab es neulich gelesen und war begeistert und zwar nicht nur wegen der vielen SciFi-Referenzen, die es enthält.

Frase schaut sich die Situation an, indem die Zukunft anhand zweier Faktoren in vier Szenarien unterteilt: werden wir Hierarchie oder Gleichheit haben, und werden wir weiter sehr viel produzieren können oder nicht? Dabei berücksichtigt Frase totale Automation, wo Roboter alles produzieren können und das auch besser und billiger machen als Menschen - im Sinne des Arguments, dass die Technologie nicht schuld ist am gesellschaftlich schädlichen Einsatz, sondern der Mensch, der sie für die Gesellschaft schädlich einsetzt. Es geht für uns darum, zu schauen, was für Folgen sowas hat und dann als Gesellschaft zu entscheiden, ob wir diese Folgen haben wollen oder die Technologie und ihre Konsequenzen lieber anders angehen und einsetzen. So entstehen die folgenden Szenarien:

  • wir produzieren beliebig viel (ohne die Natur zu zerstören) und sind alle in etwa gleich: Kommunismus
  • wir schaffen es nicht, beliebig weiter zu produzieren, sind aber trotzdem alle gleich: Sozialismus
  • wir produzieren beliebig viel und haben Hierarchien: Rentismus
  • wir schaffen es nicht, beliebig viel zu produzieren und haben Hierarchien: Exterminismus

Frase schaut sich der Reihe nach diese vier möglichen, postkapitalistischen Zukünfte an und zeigt auf, was da so auf uns zukommt. Frase referenziert viel SciFi, ist ein sehr belesener Linker und dabei nicht nur kritisch: mit diesen Zukünften ist es wie mit Flüchtlingen auf unserer Welt. Die sind weder gut noch schlecht, sie sind einfach da. Alle haben Vorteile und Nachteile, wobei die beiden letzteren meiner Meinung nach etwas fieser sind (aber wahrscheinlich ist das nur mein Gerechtigkeitssinn).

Interessant ist, dass wir nicht auf eine Zukunft festgelegt sind. Und keine dieser Zukünfte tritt in Reinform auf.

Nehmen wir den Exterminismus, die fieseste Zukunft: der ist in etwa wie der SciFi-Film Elysium. Unten wohnen die normalen Menschen in Slums mit kurzer Lebenserwartung, oben in einer Station in Umlaufbahn leben die Reichen im Paradies mit hoher Lebenserwartung durch Technologie, deren Energiebedarf eben leider nur für die Reichen erfüllbar ist (und nicht für alle). Die Menschen unten sterben aus (deswegen heisst das ja Exterminismus), übrig bleiben die Reichen und ihre Roboterhorden, die alles produzieren und bewachen. Sobald das passiert ist, kann die überlebende Elite zum Kommunismus umschwenken (denn nun reicht das, was die Automaten produzieren, ja für alle, die noch übrig sind).

  1. Das Durchschnittseinkommen in den USA liegt derzeit bei 53.000$.