Black Box von Jennifer Egan

Habe gestern dieses kleine, feine Buch von Jennifer Egan gelesen: Black Box. Das Buch erschien zuerst in Form zweier Artikel im New Yorker im Juni 2012 (hier der Link zur Zusammenfassung beider Artikel). Das Buch hat daher auch nur ca. 90 Seiten.

In Twitter-Form, also in kurzen Abschnitten oder meistens nur einzelnen Sätzen mit nicht mehr als 160 Zeichen wird die Geschichte einer Spionin erzählt. Sie ist als Schönheit auf einen mächtigen, gewalttätigen Mann angesetzt und soll Informationen beschaffen. Die Geschichte ist spannend und aufgrund der kurzen, schnell gefeuerten Sätze leicht verdaulich. Trotzdem ist das keine reine Unterhaltungslektüre, die nur an der Oberfläche kratzt. Es geht um die Rolle von Frauen in einer männerdominierten Welt, natürlich überspitzt in der Rolle einer Spionin:

As a beauty, you will sometimes be expected to change hands.

Generally, you will pass from the hands of a less powerful man to those of a more powerful man.

Ich bin echt begeistert. So groß ist die Umstellung für eine Autorin wie Egan natürlich auch nicht: die meisten Sätze in einem normalen Buch sind auch nicht länger als 160 Zeichen. Egan lässt aber viele Beschreibungen weg und erzeugt dadurch gerade einen Fokus auf Innenansichten der Protagonistion in Beziehung zu den Situationen, in denen sie sich befindet. Dieses Stakkato lauter einzeln zumeist tweetbarer Sätze funktioniert richtig gut: die Szenerie selber wird nur indirekt beschrieben, aber sie tritt trotzdem atmosphärisch dicht in meiner Einbildung hervor. Die rein introspektive Knappheit zwingt meine Phantasie, richtig auf Touren zu kommen.

Die Protagonistin ist innerlich eine sehr starke Persönlichkeit, äußerlich ein Gegenstand in einer Welt voller männlicher Alpha-Tiere, die am Ende einen Weg herausfindet zurück in ein normales Leben. Oder tut sie das nicht? Am Ende wird sie von einem Helikopter abgeholt, der sie rettet und die Daten sichern soll, die sie beschafft hat. Allerdings bleibt für mich unklar, ob das wirklich die Rettung ist, die da kommt. Oder ob sie sich die Rettung nur einbildet und weiterhin ein Gegenstand für mächtige, gewalttätige Männer in dieser Welt bleibt.

Ich hab dem Buch auf Booklikes.com 4,5 von 5 Sternen gegeben, weil ich es wirklich gut fand. Und es eignet sich insbesondere für Leser, die unnötigen Respekt vor langen Geschichten haben!