Stolpersteine

Ich gehe immer zur Arbeit, d.h. ich fahre weder Moped noch Straßenbahn noch sonstewas. Ich gehe.

Mein Weg führt mich dabei an der Prenzlauer Allee 200 vorbei und dort liegen fünf Stolpersteine. Das sind diese kleinen Gedenktafeln aus Bronze, die vor bestimmten Häusern in den Gehweg eingebaut werden, um an ehemalige Bewohner dieser Häuser zu erinnern, die im Dritten Reich vertrieben und vernichtet wurden: Juden, Zigeuner, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und Euthanasieopfer.

Ich finde dieses Projekt wichtig: wir gehen ohne diese Stolpersteine einfach drüber hinweg, wer da früher wohnte und warum diese Menschen nicht mehr da sind. Die Stolpersteine sind Einzelstücke, von Hand gearbeitet und somit keins perfekt, ein Kontrapunkt zur industriellen Vernichtung der Menschen, an die sie erinnern. Und ohne die Stolpersteine, wer erinnert sich dessen, was hier geschah? Wer stolpert über die Vergangenheit unserer Stadt, unseres Bezirks, des Hauses, in dem man lebt, wenn sie so komplett ausgemerzt wurde? Wer mehr über Stolperseine lesen will, dem kann ich diesen Artikel von Elizabeth Kolbert im New Yorker empfehlen: The Last Trial.

Wenn ich einem Stolperstein begegne, den ich noch nicht kenne, dann lese ich mir gründlich die Namen und Daten der Personen durch. Nicht laut, aber innerlich mit einer lauten Stimme. Ich finde, das ist das Mindeste, was ich tun kann: der Person gedenken, indem ich ihre Existenz bekunde. Bei den Stolpersteinen, an denen ich oft vorbei komme, präge ich mir die Namen ein.

An der Prenzlauer Allee 200, auf meiner täglichen Route, sind das die Namen Bukofzer und Cohn. Sie sind miteinander verwandt, eine ganze Familie war das. Aber sie wurden nicht alle gleichzeitig abgeholt (die älteste Frau, Auguste, zuletzt) und unter ihnen war ein siebenjähriges Kind. Mehr wusste ich auch nicht, aber heute habe ich nach den Namen im Internet gesucht und was rausgekriegt!

Es gibt diese Beschreibung einer Stolperstein-Wanderung durchs Wins-Viertel, die das Aktive Museum in seinem Mitglieder-Rundbrief herausgibt: Mitgliederrundbrief Nr. 76 des Aktiven Museums vom Januar 2017. Und ab Seite 4 erfährt man, wer Auguste und Toni Bukofzer und Selma, Hugo und Evelyne Cohn waren.